How-To


	
						
	
	

				
			

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Wie wärs mal wieder mit einem ganz traditionellen Bierstil? Wir dachten an ein Düsseldorfer Altbier! Altbier ist ein irgendwie eigenartiges Bier – jedenfalls im Vergleich zu allen anderen Biersorten der Welt. Oft fälschlich als „hybride“ Sorte bezeichnet, ist Altbier in Wirklichkeit ein echtes obergäriges Bier, das jedoch relativ kühl vergoren und danach wie ein untergäriges Bier sehr kühl gelagert wird.

Im modernen angelsächsischen Sprachgebrauch, wo ein obergäriges Bier „Ale“ und ein untergäriges Bier „Lager“ genannt wird, wird Altbier oft als „German Brown Ale“ bezeichnet. Bei der kühlen Gärführung eines Altbiers, im Vergleich zu einem wärmer vergorenen angelsächsischen Ale oder einem Weißbier, verlangsamt sich der Stoffwechsel der Hefe, was zu einer geringeren Anreicherung von Stoffwechselzwischen- bzw. -nebenprodukten wie Acetolactat im Bier führt. Acetolactat ist ein Vorläuferprodukt des buttrigen Diacetyls (siehe auch Marmeladenglastest), welches die Hefe durch Oxidation von Acetolactat herstellt. Diacetyl hat einen niedrigen menschlichen Geruchs- und Geschmacksschwellenwert und ist daher gut sensorisch wahrnehmbar. Bei vielen Durchschnittsbieren liegt dieser Schwellenwert bei 0,00001 % (bzw. 0,1 Teilen pro Millionen Teilen). Aus diesem Grunde gelten exzessive Diacetylwerte im fertigen Bier meistens als Defekt, obwohl in vielen britischen Ales wie auch im tschechischen Pilsner – nach Auffassung vieler (aber nicht aller!) Experten – eine gewisse Diacetylkomponente ein sortendefinierender Geschmacksaspekt ist.

In einem Altbier hingegen ist Diacetyl total unerwünscht, was durch die kühle Gärführung und lange Lagerung erreicht wird. Das kühle, langsame Altbierbrauverfahren hat den Vorteil, dass es das Ausmaß der von der Hefe erzeugten Gärungsnebenprodukte, einschließlich Acetolactat und damit Diacetyl, von vornherein in Grenzen hält. Die trotz niedriger Temperaturen entstandene geringe Diacetylmenge kann nachfolgend zu einem Großteil von der Hefe selbst enzymatisch in die weniger geschmacksintensive Substanz Acetoin und danach in 2,3-Butandiol reduziert werden.

Paradoxerweise läuft diese Reduktion umso effizienter, je höher die Temperatur im Gärbehälter ist. Daher ist es dem Brauer möglich, selbst beim kühlen Altbier beim Diacetylabbau nachzuhelfen, indem er die Biertemperatur kurz vor Ende der Gärung, wenn der Extraktwert noch etwa 0,5 bis 1,25 Prozent vor Erreichen des Endvergärungsgrades liegt, für eine Diacetylrast von etwa zwei Tagen bei etwa 14 °C bis 16 °C ansteigen lässt. Danach wird die Temperatur dann wieder heruntergefahren.

Die hier vorgestellte Brauanleitung basiert auf einem Rezept von Horst Dornbusch und ist in „Die Biersorten der BRAUWELT“ zu finden.

 

Das sagt das Rezept

Stammwürze: 11,75 Prozent

Restextrakt: 2,75 Prozent

Bittereinheiten: 40 BE

Farbe: 30 EBC

Alkohol: 4,8 Vol.-%

 

Zutaten (gerundet) bei einer Sudhausausbeute von rund 65 Prozent für 20 Liter

Malz

Prozent

kg

Pilsner

63

2,39

Münchner 1

30

1,13

Carared

5

0,20

Carafa Spezial 1

2

0,07

Gesamtmalzschüttung

100

3,79

 

Hopfen

Prozent Alphasäure

g

Bitter: Spalt

3,5

58

Aroma: Spalt

3,5

38

 

Hefe

Obergärige Düsseldorfer Altbier-Spezialhefe

 

Wir brauen mit einem einfachen Infusionsverfahren: Einmaischen bei 50 °C. 10 min Rast. Temperatur auf 64 °C hochfahren. 10 min Rast. Temperatur auf 72 °C hochfahren. 10 min Rast. Wahlweise kann auch mit ein oder zwei Dekoktionen statt Infusion gemaischt werden. Auch möglich: Eine Infusion bei 66 °C mit einer einzigen Rast von 60 min.

Die Temperatur zum Abläutern auf 77 °C hochfahren. Kochen 75 min. Bitterhopfen nach 15 min Kochzeit; Aromahopfen nach 65 min. Hauptgärung 7 Tage an der unteren Grenze der Temperaturtoleranz der gewählten Hefe. Bei etwa 3,5 bis 4,25 Prozent Stammwürze Tanktemperatur für etwa zwei Tage auf etwa 18 °C bis 20 °C ansteigen lassen (Diacetylrast). Temperatur um 1 °C pro Tag bis auf 0–4 °C herunterfahren. Einige Tage sedimentieren lassen. Schlauchen. 3 Wochen gespundet lagern. Filtriert oder unfiltriert abfüllen.

Das Ergebnis dieser langwierigen Fermentations- und Lagerprozedur ist ein sehr süffiges, gut ausgewogenes, bitter-süßes Obergäriges mit hervorragender „Drinkability“, wie man heute sagt. Es ist ein Bier, welches auf dem Gaumen als gut ausbalancierte Mischung aus einem abgerundeten, fast nussartigen Malzgeschmack und edler Hopfenbittere (25−45 BE) in Erscheinung tritt. Ein Altbier erinnert damit fast an ein dunkles, sauber vergorenes, untergäriges Bier – aber mit einem relativ trockeneren Abgang und einem sanft verweilenden Hopfenaroma im Nachtrunk. Spalt ist für einige Altbierbrauer der ideale Bitter- und Aromahopfen, aber Hallertauer Mittelfrüh, Hersbrucker, Perle, Tettnanger, Tradition und Saaz finden ebenfalls Verwendung. Ein typisches Altbier ist kupferfarben und sollte fast keine Röstnoten aufweisen. Daher wird es am besten mit viel Münchner Malz und nur sehr kargen Zugaben von Röstmalz primär für die Farbe gebraut. Manche Altbiere werden sogar ganz ohne Röstmalz eingemaischt. Der Stammwürzegehalt liegt zum Anstellzeitpunkt normalerweise bei 11,5 bis 12,5 Prozent.

 

Die Hefe

Die Hefe übt bei einem Altbier einen Schlüsseleinfluss auf das Geschmacksprofil aus. Während relativ warm vergärende britische Ale-Hefen einem Bier eine gewisse „esterige“, fruchtige Komplexität vermitteln, erzielen die kühl arbeitenden Altbier-Spezialhefen genau das Gegenteil. Beim Altbier, ähnlich wie beim Weißbier, ist die Hefe daher ein absolut stilbestimmender Rohstoff.

 

Ursprung des Altbier

Altbier wird fast ausschließlich in und um Düsseldorf wie auch in einigen Craft-Brauereien weltweit gebraut. In der Heimatgegend des Altbiers haben die alten Germanen bereits im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Bier gebraut – jedenfalls nach Berichten des römischen Geschichtsschreibers Tacitus. Da geschichtlich nichts dafürspricht, dass Bierbrauen in und um Düsseldorf seitdem je unterbrochen wurde, kann man mit gewissem Recht die These vertreten, dass das aus seinen antiken Vorläufern kontinuierlich hervorgegangene heutige Altbier – wie auch das etwa 40 Kilometer rheinaufwärts gebraute blonde, obergärige Kölsch – mit zu den ältesten, ununterbrochen hergestellten Biersorten der Welt zählt, neben solchen alten Sorten wie dem peruanischen Chicha, dem finnischen Sahti oder dem russischen Kvas.

Der Begriff Altbier kam übrigens erst recht spät auf, denn er datiert aus dem 19. Jahrhundert, als untergärige Biere, besonders das tschechische Pilsner, anfingen, die Welt zu erobern. Altbier bezieht sich auf die „alte“, also obergärige Art, Bier zu brauen. Altbier teilt diese „alte“, für heutige Verhältnisse vielerorts als fast atavistisch geltende Braumethode mit vielen belgischen und holländischen Bieren, dem französischen Bière de garde, den klassischen britischen und irischen Ales sowie vielen hoch modernen, amerikanischen Craft Bier-Innovationen. Altbier gehört zu den wenigen Biersorten, die in einer ihr ureigenen Glasform serviert werden. Die authentische Art, Alt auszuschenken, ist ausschließlich in einem zylindrischen 0,2- bis 0,4-Liter-Glas, das ähnlich wie eine Kölsch-Stange aussieht, aber einen etwas größeren Durchmesser hat.

 

Das sagst du!

Du hast ein Altbier gebraut und bist stolz auf das Ergebnis? Am Ende hast du dazu sogar unseren Rezeptvorschlag benutzt oder diesen abgewandelt? Lass uns daran teilhaben! Schick uns ein Bild und eine kurze Rezeptbeschreibung an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Betreff „Bierrezept“. Deine Idee könnte dann gleich neben unserem Rezeptvorschlag stehen. Wir sind gespannt!