Know-How


	
						
	
	

				
			

Bewertung: 5 / 5

Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv
 

Dass die Gärung im offenen, niedrigen Gefäß dem Geschmack und Aroma vieler Biere zugutekommt, gilt längst nicht nur für obergärige Bierstile. Bottiche der neuesten Generation sind dabei aus rostfreiem Edelstahl gefertigt und vollautomatisch CIP-bar und somit ohne Vorbehalt für den Einsatz in der Brauerei des 21. Jahrhunderts geeignet. Maximilian Reichenbacher, Manfred Mödinger und Prof. Martin Krottenthaler beleuchten in einer zweiteiligen Artikelserie die Vorteile der Gärung im offenen Bottich. Teil 1: Einwandfreie, automatisierte Reinigungsmöglichkeiten und werbeträchtiges Prestigeobjekt.

 

Chance für moderne Brauereien

Die Dimensionierung von Gärgefäßen orientierte sich die längste Zeit der Geschichte an der Grenze des technisch Machbaren. So wurden Ton- und Holzgefäße zunächst von gemauerten Becken und schließlich von stehenden zylindrokonischen Tanks abgelöst. Diese schienen mit dem Aufkommen rostfreier Stähle zunächst schier unaufhaltsam zu wachsen. Doch bereits im Lauf des letzten Jahrhunderts zeigten die Erfahrungen in etlichen Brauereien, dass Hefephysiologie und Bieraroma unter einem allzu hohen Tank leiden und eine maßvolle Dimensionierung beidem zugutekommt. Während dabei gerade Weißbierbrauer vielerorts nach wie vor auf den traditionellen offenen Gärbottich schworen, erlebt er nun auch auf dem Gebiet der untergärigen Bierstile eine Renaissance.

 

Historische Vorbilder offener Gärbottiche stehen im alten Brauerei-Gewölbe der Berg Brauerei, Ehingen. In Verknüpfung von traditioneller handwerklicher und moderner Brauweise werden heute alle Berg-Biere mit Bottich-Gärung vergoren (Fotos: Berg Brauerei)
Historische Vorbilder offener Gärbottiche stehen im alten Brauerei-Gewölbe der Berg Brauerei, Ehingen. In Verknüpfung von traditioneller handwerklicher und moderner Brauweise werden heute alle Berg-Biere mit Bottich-Gärung vergoren (Fotos: Berg Brauerei)

 

Einwandfreie Hygiene

Zum einen liegt dies gewiss daran, dass auch der offene Bottich im 21. Jahrhundert angekommen ist. Mit den eckigen Becken aus Beton oder Aluminium, die man aus zahlreichen Kleinbrauereien noch kennt, haben moderne Bottichsysteme nicht mehr viel gemein. Auch hier ist rostfreier Edelstahl Stand der Technik, und die Gefäße werden in der Regel freistehend gebaut. Möglich ist auch das Aufhängen in einer Zwischendecke, wodurch direkt eine räumliche Trennung des offen gärenden Bieres vom Arbeitsbereich unten geschaffen wird.

Der Einsatz offener Bottiche ist dabei auch nicht mehr zwangsläufig mit vermehrter Handarbeit verbunden: Bereits zwei europäische Hersteller haben Patente auf Bottiche angemeldet, die sich mittels verschiedener Spülränder vollautomatisch über Cleaning in Place (CIP) reinigen lassen. Die Reinigung geschieht hier rein chemisch, indem die Reinigungslauge aus dem Spülrand an der Gefäßwand entlangrinnt. Der komplette Reinigungsvorgang nimmt dabei erfahrungsgemäß etwa 30 Minuten in Anspruch. In der Anschaffung sind solche modernen Bottichsysteme teurer als zylindrokonische Gärtanks (ZKG), wobei den größten Kostenpunkt die deutlich umfangreicher notwendige Zu- und Abluftanlage darstellt. Schließlich muss das entstehende CO2 stets abgeführt werden, ohne dass das Fenster geöffnet wird.

Während Bottiche ohne maschinelle Reinigungsmöglichkeit angesichts des erheblichen Aufwands an Handarbeit weitgehend aus dem Betriebsalltag verschwunden sind, besteht noch die Möglichkeit einer halbautomatischen Reinigung mittels fest oder beweglich verbauter Reinigungshauben. Hierzu werden aber zum einen zusätzliche Bauteile nötig, was vor dem Gedanken des Hygienic Design ungünstig ist. Zudem muss bemerkt werden, dass Hauben und gerade die bei der beweglichen Ausführung nötigen Kranschienen optisch eher unattraktiv sind.

 

Offener Gärbottich CIP-bar mit Spülrand in der Russian River Brewery, Windsor, Kalifornien, USA (Foto: Christian Gresser Behälter- und Anlagenbau)
Offener Gärbottich CIP-bar mit Spülrand in der Russian River Brewery, Windsor, Kalifornien, USA (Foto: Christian Gresser Behälter- und Anlagenbau)

 

Moderner Gärkeller als attraktives Werbeinstrument

Schließlich kann ein schön gestalteter Bottich-Gärkeller, auch in Kombination mit modernen architektonischen Elementen wie Sichtbetonwänden oder einer Glasfassade, die Zierde eines Betriebes darstellen! Ein so inszenierter Gärkeller steht sinnbildlich für die moderne und lebendige Brautradition, die man in mittelständischen Betrieben und auch im global noch immer wachsenden Craft Bier-Segment antrifft. Bottiche der neuesten Generation schmücken die Produktionsstätten namhafter Traditionsbrauereien, aber auch junge, aufstrebende Brauereien werben teils aktiv mit der Technik, die in ihrem Hause zum Einsatz kommt.

Bei der Präsentation ist der größte Vorteil gegenüber geschlossenen Tanks dabei, dass Besucher der Brauerei die Gärung nicht als „Blackbox“ wahrnehmen, sondern mit all ihren Sinnen erleben können, dass die Gärung ein lebendiger Prozess und die Hefe ein wichtiger Mitarbeiter der Brauerei ist. Gerade bei Veranstaltungen wie Brauereiführungen kann so eine zusätzliche emotionale Bindung an das Produkt bewirkt werden. Da das Werben mit technischen Produktionsdetails beim Laien eher wenig zielführend ist, kommt es vermehrt darauf an, mit emotionalen Bildern der Herstellung und gleichwohl faktenbasierten Vorteilen der Biere zu werben. Hierfür ist die Bottichgärung geradezu ideal geeignet.

Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür sprechen, dass im traditionellen Bottich eine bessere Hefephysiologie sowie ein schöneres Aromaprofil erreicht werden können, wird im zweiten Teil des Artikels behandelt.