Portraits


	
						
	
	

				
			

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Craft Brewing. Was das – wörtlich übersetzt – „handwerkliche Brauen“ tatsächlich bedeutet, davon können sich die Teilnehmer einer ganz besonderen Veranstaltung der VLB Berlin ein Bild machen. Unter dem Motto „Real Craft Brewing – Brewing like 1900“ wird Brauhandwerk hautnah erlebbar.

Schauplatz der „historischen“ Brauaktion ist die Brauerei in Vielau, einem Ortsteil der Gemeinde Reinsdorf im sächsischen Landkreis Zwickau. Die dortige Braustätte wurde im Jahre 1538 erstmalig urkundlich erwähnt. Wie aus Unterlagen des Stadtarchivs Zwickau hervorgeht, wird in jenem Jahr im „Vertrag wegen des Brauens in Vielau“ festgehalten, dass dort pro Jahr sechs Zwickauer Gebräude, also 56 580 Liter Bier, und 13 Zwickauer Scheffel Malz bereitet werden dürfen.

Das Brauhaus in Vielau wird urkundlich erstmals 1538 erwähnt
Das Brauhaus in Vielau wird urkundlich erstmals 1538 erwähnt

 

Das Rittergut samt Brauerei und zugehörigen Ländereien wurde bis ins späte 19. Jahrhundert von verschiedenen Pächtern bewirtschaftet. 1931 schließlich erwarb der langjährige Pächter Max Zschoch das Anwesen. Die Familie Zschoch hielt den Betrieb aufrecht, bis dieser 1946 erneut verpachtet wurde. 1969 musste die Produktion dann eingestellt werden, die Abfüllanlage wurde noch bis 1972 genutzt. Erst seit 2002 brennt das Feuer unter der Sudpfanne in Vielau wieder. Damals pachtete die Gemeinde Vielau die Brauerei von Besitzerin Erika Lorenz, geb. Zschoch, und im Jahr 2012 übernahm sogar wieder eine Nachfahrin von Max Zschoch die Leitung. Seit Mai 2012 betreibt Petra Lorenz die Brauerei Vielau. Die Ausrüstung der Brauerei stammt dabei noch aus der Zeit des Urgroßvaters, bis auf die Renovierung der Gebäude hat sich wenig verändert. Ein passender Ort, um zu zeigen, was „Real Craft Brewing“, eben echtes Handwerk, bedeutet. Es zeigt sich: Echtes Handwerk bedeutet auch Improvisationskunst, Einfallsreichtum und Durchhaltevermögen.

 

Mit Gunst und Erlaubnis

„Mit Gunst und Erlaubnis: Ein Gruß vom letzten Meister und Gesellen, drei fremde Bierbrauer und Braumeister sprechen um Arbeit zu!“ Mit dieser traditionellen Begrüßung der Brauergesellen auf Wanderschaft betrat das VLB-Team, bestehend aus Jan Biering und Burghard Meyer, das Sudhaus der Traditionsbrauerei Vielau, um den Workshop „Real Craft Brewing – Brewing like 1900“ zu starten.

Kontrolle: Ist genug Feuer unter dem Kessel?
Kontrolle: Ist genug Feuer unter dem Kessel?

 

Vorbereitungen

Am ersten Tag stand auf dem Programm: Reinigen und Inspizieren der Anlage. Hier warteten schon die ersten Herausforderungen. Zwar werden sämtliche Pumpen und Anlagenteile, wie etwa die Schrotmühle, schon über einen Hauptantriebsmotor und Transmissionsriemen angetrieben, die betagte Technik bringt aber auch einige Tücken mit sich: So musste erst die Erfahrung gemacht werden, dass der Motor, Baujahr um 1900, vor einem Betrieb unter Last eine gewisse Aufwärmphase benötigt, um stabil zu laufen. Auch der Betrieb der Pumpen musste teilweise mit recht unkonventionellen Hilfsmitteln „modifiziert“ werden, um die Transmissionsriemen anzupassen. Ein einfaches Nudelholz kam zum Einsatz, mit dessen Hilfe die Spannung der Riemen angepasst wurde. Unkonventionell, aber doch im Sinne der Sache: Handwerklich arbeiten heißt hier, schnell eine praktikable Lösung zu finden. 

Sauerstoffaufnahme und Hygienic Design – um 1900 noch kein Thema
Sauerstoffaufnahme und Hygienic Design – um 1900 noch kein Thema

 

Das Einmaischwasser für den nächsten Morgen wurde ebenfalls schon am Mittwoch in der Maischbottichpfanne vorgelegt und angewärmt. Die Pfanne wird noch direkt mit Brennholz und Kohlen befeuert. Hier kommt die Erfahrung der Brauer im Umgang mit Ofenheizung, Lagerfeuer, Feldschmiede und Kamin zum Tragen und Burghard Meyer konnte auch am folgenden Tag beizeiten die gewünschten Temperaturen beim Maischen und Kochen genau einstellen. Ebenfalls noch am Mittwoch musste ein Teil der Malzschüttung geschrotet werden. Im Rahmen des Kurses wollten es sich die Braugesellen nicht nehmen lassen, auch die alte riemengetriebene Zweiwalzenmühle mit Steinwalzen in Betrieb zu nehmen.

 

Brautag

Am nächsten Morgen begann der Brautag um 5.00 Uhr mit dem Aufheizen des Brauwassers auf Einmaischtemperatur. Auf dem Gebiet der Malzqualität hat sich seit der Zeit um 1900 einiges getan, weshalb – nicht ganz authentisch – bei 62 °C und einem Hochkurzmaischverfahren gemaischt wurde. Die Schüttung bestand aus 50 Prozent Pilsener Malz sowie 50 Prozent Münchner Malz Typ 2, um das „Vielauer Bernstein-Lager“ zu brauen.

Fingerspitzengefühl gefragt: Läutergrand mit fünf Läuterhähnen
Fingerspitzengefühl gefragt: Läutergrand mit fünf Läuterhähnen

Der Läuterprozess mit offenem Läuterbottich und handgetriebenem Hackwerk erforderte dann wieder das Fingerspitzengefühl der Brauer, denn die Feineinstellung der fünf Läuterhähne am Läutergrand ist noch echte Erfahrungssache. Die Nachgüsse erfolgten über Aufspritzen von vorbereitetem Heißwasser aus einem Puffertank. Mit „Pfanne voll“ wurde wieder kräftig Holz nachgelegt, um auf Kochtemperatur zu kommen. Die Hopfendosage wurde, bei einer abgeschätzten Ausbeute von ca. 20 Prozent, auf 30 Bittereinheiten berechnet. Da ein Ausschlagen auf das Kühlschiff nur über die Läutergrandpumpe zu realisieren war, wurde der Läuterbottich kurzerhand als Whirlpool missbraucht.

Fast fertig: Nach dem Kochen läuft die heiße Würze auf das Kühlschiff
Fast fertig: Nach dem Kochen läuft die heiße Würze auf das Kühlschiff

Auf dem Kühlschiff erfolgte noch eine Aromahopfengabe und die 80 °C heiße Würze kühlte innerhalb einer Stunde auf ca. 45 °C ab. In einem letzten Kühlschritt kam dann noch der Berieselungskühler zum Einsatz. Von dort aus nahm die Anstellwürze dann direkt den Weg in den Gärbottich. Über eine noch improvisierte Lösung und eine Kombination aus Pumpe und mit diversen Schläuchen konnte hier vermieden werden, nochmals den Läuterbottich als Puffer- und Anstellgefäß nutzen zu müssen. So gelangte die Anstellwürze möglichst ohne Umwege in den vorbereiteten Gärtank.

Teamarbeit: Austrebern per Eimerkette
Teamarbeit: Austrebern per Eimerkette

Dank einer grandiosen Teamarbeit war mit dem Anstellen die Hauptarbeit des Brautages, wozu auch immer wieder das Reinigen der Gefäße gehört, getan. Sobald ein Gefäß nicht mehr benötigt wurde, wurde es direkt mit dem Schrubber bearbeitet. Somit war mit dem Anstellen das gesamte Sudzeug wieder blitzblank.

Ein besonderer Dank geht an Petra Lorenz für ihre große Gastfreundlichkeit und die einmalige familiäre Atmosphäre.

„Mit Gunst und Erlaubnis, die Herren Meister, sage ich meinen besten Dank und wünsche Glück und Segen in Ihre Werkstatt!“, mit diesem Brauerspruch verabschiedeten sich die Brauergellen und das VLB-Team in Vielau.

Geschafft: Braugesellen und -helfer nach getaner Arbeit Fotos: Jan Biering
Geschafft: Braugesellen und -helfer nach getaner Arbeit (Fotos: Jan Biering)