Portraits


	
						
	
	

				
			

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Als kleiner Junge wollen die einen Feuerwehrmann werden, die anderen Lokomotivführer. Aller Erfahrung nach ändert sich das dann noch. Manche werden danach Bierbrauer. Dass sie als erfahrene Geowissenschaftlerin, die im schönen Südtirol archäologische Ausgrabungen macht, mal der Berufswunsch „Brauer“ ereilt, hätte Dagmar Gnieser sicher nicht geglaubt. Seit nun zwei Jahren betreibt sie im Brixener Stadtteil Köstlan ihre eigene Brauerei.

Unglaublich? Ja, aber wahr. Hier ist ihre Geschichte, eine Geschichte vom Bier nach dem eigenen Gusto …

 

GradPlato: Du hast einen sehr abwechslungsreichen Lebenslauf: kaufmännische Ausbildung, geowissenschaftliches Studium, archäologische Ausgrabungen, Erwachsenenbildung … und jetzt eine eigene Brauerei. Wie bist du denn bitte zum Bier gekommen?

Dagmar: Das ist eigentlich ganz einfach: Ich liebe die Vielfalt im Leben. Daher darf es gern öfter mal was Neues sein. Karriere macht man so nicht unbedingt, das ist mir klar, und mühsam ist es in der Regel auch, weil man immer wieder von vorne anfängt, aber so bleibt es zumindest spannend. Diesmal wollte ich unbedingt etwas in Eigenregie machen.

Dagmar Gnieser im Verkostungsraum der köstlan-Brauwerkstatt

 

Wenn der Craft Bier-Vorrat zur Neige geht …

Es hat allerdings einige Zeit und mehrere Anläufe gebraucht, bis ich – witzigerweise eher beiläufig – auf die zündende Geschäftsidee gestoßen bin: Mein Craft Bier-Vorrat, den ich seit meinen Studienzeiten in den USA während der 90er-Jahre daheim halte, war mal wieder leer. Ich stieg ins Auto und fuhr in eine der wenigen, mittlerweile recht beliebten Wirtshausbrauereien in Südtirol … und da war sie plötzlich, die geniale Idee: wieso nicht auch in Brixen so eine kleine Wirtshausbrauerei aufmachen, wo ich selbst gebraute, kreative Craft Biere (klarerweise ganz nach meinem Geschmack) vom Fass anbiete?

Ich war Feuer und Flamme, zumal Freunde mich in meinem Enthusiasmus bekräftigten: „So was fehlt in Brixen wirklich, das funktioniert sicher!“ Die Standortsuche gestaltete sich dann wiederum sehr schwierig und erforderte einiges Umdenken. Letztendlich ist aus der geplanten Wirtshausbrauerei eine kreative Brauwerkstatt mit einem superschönen, halbautomatischen 3-Geräte-Braublock und 16 zylindrokonischen Gär- und Lagertanks (Uni-Tanks), dafür aber ohne eigenes Restaurant geworden. Darin stellen meine Braumeisterin Monika Sieghart und ich eine köstliche Biervielfalt in 10- und 20-Liter-Fässern für die Südtiroler Gastronomie her. Diese extra kleinen Gebinde garantieren der Wirtin oder dem Hotelier bei der richtigen Pflege absolute Frische am Zapfhahn, auch bei kleineren Absatzmengen. In Flaschen gibt es unsere unfiltrierten und nicht pasteurisierten Craft Biere nur im Brauerei-eigenen Shop, weil wir fest an die unschlagbare Qualität von Fassbier glauben.

Im Gär- und Lagerkeller der köstlan-Brauwerkstatt

GradPlato: Südtirol ist eigentlich fest in der Hand einer namhaften Brauerei. Wo siehst du eure Chancen?

Dagmar: Die Kunden sind heutzutage eine ausgeprägte Produktvielfalt gewohnt und fordern sie, falls nicht vorhanden, auch ein. Beim Bier gibt es da noch viel Luft nach oben, weil vielen noch gar nicht bewusst ist, dass es außer einem Hellen, einem Weißbier und vielleicht noch einem Dunklen eine unendliche Auswahl an anderen faszinierenden Bierstilen gibt. Insofern ist das Craft Bier-Angebot der köstlan – Brauwerkstatt Brixen als eine interessante Bereicherung des Südtiroler Biermarktes zu sehen.

 

Craft Bier von hier für hier

GradPlato: Was ist das Besondere an euren Bieren? Worauf legst du speziellen Wert?

Dagmar: Wir sind eine kleine, handwerklich arbeitende Brauerei, daher suchen wir uns spezielle Marktnischen, die noch nicht so stark besetzt sind. Das heißt, wir brauen kreative Biere mit außergewöhnlichen Aromen und experimentieren dabei gern, z. B. mit einheimischer Gerste aus dem Vinschgau und dem Pustertal. Natürlich machen wir auch ein süffiges helles Zwickl Lager und ein klassisches Weizenbier, aber selbst die haben ihr ganz eigenes Geschmacksprofil und sind darüber hinaus nur in Bio-Qualität erhältlich. Unsere Craft Bier-Schiene besteht derzeit aus sechs charakterstarken Sorten, die sowohl in der Rezeptur als auch bei der Namensgebung immer einen Bezug zu Südtirol aufweisen – mal mehr, mal weniger dezent: für die Leichtbier-Trinker haben wir ein fruchtig-herbes Session Lager namens „wiff“ (südtirolerisch für pfiffig, raffiniert, spritzig), für diejenigen, die es weniger herb mögen, gibt‘s ein kernig-kräftiges Vierkorn-Weizen namens „quattro“ (ital.: vier), und für die Hopfen-Fans brauen wir ein würzig-herbes Amber Lager namens „ambris“, ein zu 100 Prozent aus Südtiroler Gerste gebrautes kantig-herbes, fruchtig-frisches Pale Ale namens „alma“ (Anspielung auf die Südtiroler Almwirtschaft), ein kupferfarbenes, fein ausbalanciertes IPA namens „alto ale“ (Wortspiel mit der ital. Bezeichnung für Südtirol: Alto Adige) und ein mit frischen Kaffeebohnen aus einer Südtiroler Rösterei verfeinertes Coffee Stout namens „skuro“ (ital. scuro für dunkel). Außerdem vertreiben wir unsere Frischbiere nur regional. Craft Bier von hier und für hier sozusagen. Das kommt gut an.

Das Ironman goes brauwerkstatt-Event in Köstlan

GradPlato: Du tust viel, um deine Biere bekannt zu machen. Verrätst du uns einige deiner ungewöhnlichsten Events?

Dagmar: Die beste Werbung ist immer noch, wenn man das Bier persönlich präsentiert und die Leute verkosten lässt. Sei es bei auswärtigen Veranstaltungen oder bei Führungen durch die eigene Brauerei. Das ist zwar aufwendig und teilweise echte Knochenarbeit, aber es macht auch viel Spaß. Bier ist ein sehr bodenständiges, kontaktstiftendes Getränk. Da traut sich jeder ran, auch wenn er von Braukunst nicht viel versteht. Das macht es leicht, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen und ein schnelles, ehrliches Feedback einzuholen.

Männer bügeln – für den guten Zweck

 

Männer bügeln, Frauen brauen

Aber Bier ist immer ein attraktives Thema: Kürzlich hatten wir eine Veranstaltung, da haben Männer zwischen unseren Gär- und Lagertanks für einen guten Zweck Hemden knitterfrei gebügelt unter dem Motto „Ironman goes Brauwerkstatt: Männer bügeln, Frauen brauen“. Mit poetischen Einlagen wurden Rollenklischees aufs Korn genommen. Das war auf jeden Fall eine unterhaltsame Attraktion mit Hintersinn – und gleichzeitig eine gute Werbung für unser Bier. Davon wünsche ich mir mehr.

GradPlato: Dann weiterhin viel Erfolg und noch viele bierige Ideen!