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Alkoholfreies erfreut sich seit Jahren zunehmender Beliebtheit. Dies ist neben gesundheitlichen und gesellschaftlichen Aspekten vor allem auf die stetig verbesserte Qualität dieser Biere zurückzuführen. Dabei wird alkoholfreies Bier fast ausschließlich in Kleingebinden wie Flaschen oder Dosen vertrieben. Der Ausschank aus Fässern ist selten, noch seltener wird Alkoholfreies als Tankware verteilt. Dr. Johannes Tippmann stellt Möglichkeiten und Grenzen des Ausschanks über den Zapfhahn dar.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Biersorten sind beim Ausschank von alkoholfreiem Bier ein paar Fallstricke zu beachten, um aus dem Genuss keinen Verdruss zu machen.

 

Verringerte biologische Stabilität

Dass alkoholfreies Bier nicht gleich alkoholfreies Bier ist, ist dem geneigten Konsumenten mittlerweile gut bekannt. Die Unterschiede betreffen dabei maßgeblich auch das Herstellungsverfahren. Von diesem hängt nicht nur der Geschmackseindruck ab, den das Bier hinterlässt (schlankerer Eindruck bei entalkoholisierten Sorten, eher süßlich-würzeartige Vertreter aus einem gestoppten Gärprozess oder auch mit alternativen Hefen hergestellt), sondern auch die Inhaltsstoffe, die sich direkt auf das Verhalten des mikrobiellen Wachstums auswirken. Bei den sogenannten „gestoppten Gärern“ bietet der für die Vollmundigkeit dieser Biere verantwortliche Restzuckergehalt einen sehr guten Nährboden für die unterschiedlichsten Mikroorganismen. Dies stellt folglich ein stark erhöhtes Risiko für eine Infektion und somit den mikrobiologischen Verderb dieser Biere dar, da auch ein anderer wichtiger limitierender Faktor, nämlich der Alkohol, nicht vorhanden ist. Der pH-Wert ist dabei jedoch noch nicht so niedrig, dass von einer ähnlichen Stabilität wie bei alkoholfreien Limonaden und Softdrinks ausgegangen werden kann.

 

Diagramm: Einfluss des Reinigungszyklus auf die Qualität in der Schankanlage
Einfluss des Reinigungszyklus auf die Qualität in der Schankanlage

 

Die allermeisten Brauereien sichern daher die mikrobiologische Stabilität über einen Pasteurisationsschritt. Manchmal über eine Kurzzeiterhitzung (KZE), manchmal über einen Pasteur. Für die Abfüllung in Fässer kommt davon jedoch nur die Stabilisierung mittels KZE in Frage, was ein gewisses Restrisiko bei nicht richtig sterilisierten Fässern bedeutet. Die Verwendung von Kaltentkeimungsmitteln wie Velcorin ist in Deutschland schon alleine wegen des Reinheitsgebots unzulässig.

 

Hygienische Anforderungen an die Schankanlage

Rein rechtlich spricht nichts gegen den Ausschank von alkoholfreiem Bier aus Fässern. Die DIN 6650-6 empfiehlt für das Reinigungsintervall eine Frist von 1–7 Tagen für alkoholfreies Bier. Die endgültige Entscheidung für einen kürzeren oder längeren Zeitraum muss dabei z. B. in Abhängigkeit der Inhaltsstoffe und der technischen Voraussetzungen getroffen werden. Diese Fristempfehlung wird den Lieferanten, also z. B. der Brauerei oder dem Hersteller/Errichter, im Rahmen der DIN 6650-6 auch zugestanden. Allerdings muss ihnen das erhöhte Maß an Verantwortung dafür bewusst sein.

 

Tab. 1 Empfohlene Reinigungszyklen nach DIN 6650-6
Tab. 1 Empfohlene Reinigungszyklen nach DIN 6650-6

 

Für zuckerhaltigere Biere aus einer gestoppten Gärung empfiehlt sich ein kürzeres Reinigungsintervall. Biere aus Entalkoholisierungsprozessen besitzen in der Regel weniger Nährstoffe und können dadurch unter Umständen einen etwas längeren Zeitraum zwischen den Reinigungen vertragen. Während bei herkömmlichen Bier-Schankanlagen teilweise eine fallbezogene Reinigung nach Zustand durchgeführt wird, sollte bei Anlagen für alkoholfreies Bier – egal, welcher Herstellungsprozess – auf jeden Fall die Strategie der präventiven Reinigung durchgeführt werden.

Die Reinigung erfordert besondere Gewissenhaftigkeit, eine abschließende Desinfektion der Bauteile und der Leitung empfiehlt sich ebenfalls dringend. Zu den Pflichttätigkeiten bei alkoholfreiem Bier vom Hahn gehört zudem die tägliche Sanitation der Zapfhähne mittels einer Hahnreinigungspumpe (natürlich sauber) oder eines Desinfektionsmittels.

 

Technische Anforderungen an die Schankanlage

Bei der Auswahl der Bauteile sollte größter Wert auf ein sehr gutes Hygienic Design gelegt werden. Der etwas höhere Invest z. B. für spaltfreie Verbindungen an den Schlauchtüllen zahlt sich durch eine höhere Produktsicherheit und bessere Bierqualität aus. Es sollten die Schlauchschellen so an den Tüllen platziert werden, dass zwischen Schlauch und Tüllenstutzen keine Flüssigkeit gelangen kann. Diese auch für normale Biere empfohlenen Bauweise sollte bei den wesentlich sensibleren alkoholfreien Bieren obligatorisch sein und unbedingt umgesetzt werden.

 

Mikroorganismen, die aus dem Bereich zwischen Schlauch und Tülle durch reines Abspülen gewonnen wurden
Mikroorganismen, die aus dem Bereich zwischen Schlauch und Tülle durch reines Abspülen gewonnen wurden

 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verwendung des richtigen Schlauchmaterials. Oberflächenstabile Schlauchleitungen aus harten Materialen sind hier zu bevorzugen, um der Bildung von Biofilm auf einer aufgerauten Oberfläche entgegenzuwirken. Auch empfiehlt es sich dringend, für die Bierleitung vom Fass bis zum Zapfhahn eine aktiv gekühlte Isolierung zu verwenden, um die Leitungen sicher kalt zu halten und so das Wachstum der Mikroorganismen soweit es geht zu unterdrücken.

Die Qualität des Schlauchmaterials spielt aus einem weiteren Grund eine wichtige Rolle. Da zu den sognannten limitierenden Faktoren auch die CO2-Atmosphäre einen wichtigen Beitrag liefert, sollte die nicht zu unterschätzende Sauerstoffdiffusion durch manche Schläuche dringend mitberücksichtigt werden. Ansonsten kann dadurch ein gesteigertes Risiko zum Wachstum aerober Mikroorganismen im Bier erzeugt werden.

Bei der Verwendung von Durchlaufkühlern sollte darauf geachtet werden, dass das angestochene Fass nach einem Tag verbraucht ist. Die in der Regel warme Lagertemperatur fördert das mikrobielle Wachstum, wie auch die im Folgenden beschriebene Studie gezeigt hat. Bestätigt werden dadurch auch Erfahrungen aus dem Ausschank von alkoholfreiem Glühwein, bei welchem binnen 24 Stunden signifikante Gärprozesse beobachtet werden konnten.

Eine Verbesserung schafft beim Ausschank mit Durchlaufkühler die Kühlung der Leitung vom Fass bis zum Durchlaufkühler durch eine sogenannte Rückwärtskühlung oder „Back-Python“. Auch dieser Effekt konnte in einer Studie bestätigt werden.

 

Untersuchungen zur Qualitätsverbesserung im Offenausschank

In einer Studie zu unterschiedlichen Anforderungen an den Ausschank konnte der Einfluss der Fasskühlung sehr deutlich bestätigt werden. In einem vergleichenden Aufbau wurden dabei alkoholfreie Biere gekühlt und ungekühlt angestochen und regelmäßig mikrobiologisch untersucht. Das Fass war dabei jeweils eine Woche im Anstich und wurde danach mit einem frischen Fass ersetzt. Weiterhin wurde verglichen, wie sich eine perfekte Hygiene (kurzes Reinigungsintervall, tägliche Hahnpflege) auf den mikrobiologischen Zustand auswirkt und wie hoch die Auswirkung in einer nicht gepflegten Anlage ist.

Die Ergebnisse dieser Studie waren sehr eindeutig. Während die gekühlten, sehr gut gepflegten Anlagen nur ein minimales Wachstum im akzeptablen Bereich zeigten (< 1000 KBU/ml), war in den warmen und vor allem warmen, ungepflegten Anlagen ein starkes mikrobiologisches Wachstum nachweisbar. Innerhalb einer 5-Tages-Frist ergaben sich mikrobiologische Unterschiede von 103 KBU/ml zwischen den gepflegten, gekühlten und den ungepflegten, ungekühlten Leitungsproben.

Nach einer Woche war bei den ungekühlten Proben eine starke Infektion (104 KBU/ml) der Fässer feststellbar, während bei den gekühlten Proben hier nur in Einzelfällen Befunde (102 KBU/ml) festzustellen waren. Die ungekühlten Proben wiesen teils deutliche Anzeichen von unnatürlichen Trübungen auf, welche auf mikrobiologischen Wuchs zurückgeführt werden konnten.

 

Tab. 2 Mikrobiologisches Wachstum limitierende Faktoren
Tab. 2 Mikrobiologisches Wachstum limitierende Faktoren

 

Untersuchungen zu technischen Alternativen

Der Wechsel auf kleine Gebinde mit der einhergehenden Verkürzung der Anstichdauer hat nachgewiesenermaßen einen positiven Effekt auf die Qualität der Getränke. Ein 15-l- oder 20-l-Fass besitzt durch die kürzere Verbindungszeit mit der Zapfanlage als potentielle Infektionsquelle ein deutlich verringertes Risiko einer Rückverkeimung als dies z. B. bei einem noch immer häufig verwendeten 50-l-Fass der Fall ist.

Wenn die Möglichkeit besteht, kann auch auf die technische Alternative einer Einwegleitung für den Ausschank von alkoholfreien Bieren zurückgegriffen werden. Der stets keimfreie, unversehrte Zustand einer Einwegleitung setzt den Ausgangspunkt des mikrobiologischen Wachstums bei jedem Anstich so niedrig an, dass für die Bildung eines Biofilms mehr Zeit notwendig wäre als sich ein Fass in der Regel im Anstich befindet. Untersuchungen im Rahmen einer Studie haben gezeigt, dass bei einem entalkoholisierten, nicht pasteurisierten alkoholfreien Weißbier und alkoholfreien Hellen nach über drei Wochen noch kein kritisches mikrobiologisches Wachstum vorhanden war.

 

Die Frage nach den Kosten

Wie bereits beim Ausschank von normalen Bieren immer wieder festgestellt wird, scheitern die schönsten Hygiene- und Qualitätskonzepte an der mangelnden Bereitschaft, den dafür notwendigen Betrag auch zu investieren. Beim Ausschank von alkoholfreiem Bier ist dieser Aspekt noch um einiges wichtiger.

Durch das verkürzte Reinigungsintervall wird ein höherer Kostenfaktor zu verzeichnen sein, und auch beim Einbau sind für den Wirt höhere Investitionskosten zu kalkulieren. Die Brauerei muss gegebenenfalls einen größeren Aufwand beim sorgfältigen Abfüllen der alkoholfreien Biere leisten, um die einwandfreie Produktqualität im passenden Gebinde sicherzustellen.

Überlegt ein Wirt, ein alkoholfreies Bier vom Fass auszuschenken, sollte er dabei alle Facetten betrachten und verbindlich dazu bereit sein, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen.

 

Zusammenfassung

Alkoholfreies Bier wird auch in der Zukunft weiterhin von großer Bedeutung sein, was den Ausschank dieser Biere über eine Zapfanlage durchaus rechtfertigt. Werden Grundregeln der Hygiene eingehalten, sind dabei auch wenig Probleme zu erwarten. Unkontrollierbare Randbedingungen wie z. B. die tägliche Reinigung und/oder Desinfektion des Zapfhahnes durch den Betreiber sind dabei zwingend mit zu berücksichtigen. Die Kosten für den erhöhten Aufwand wie z. B. für die Anlagenpflege oder die geänderte Fassfüllstrategie müssen von vornherein allen Seiten bewusst sein. Gegebenenfalls ist dann das alkoholfreie Bier aus der Flasche im Sinne einer wirtschaftlichen, sehr guten und sicheren Produktqualität die vernünftigere Wahl.

Dieser Beitrag beruht auf einem in BRAUWELT Nr. 25-26, 2021, S. 638-641, erschienenen Beitrag von Dr. Johannes Tippmann.